Wie Kinder zu kompetenten Einkäufern werden

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Schon Dreijährige kennen Marken-Logos und beeinflussen den Einkauf ihrer Eltern. Manche fordern Werbeverbote für Kinderprodukte. Forscher wollen zeigen, dass auch Kinder kompetent einkaufen können. Von Maria Braun

Im Kaufmannsladen der kleinen Charlotte soll alles echt aussehen. Eben genauso wie im Supermarkt – nur im Kleinformat. Also stapeln sich in ihren Regalen kleine Verpackungen mit Fischstäbchen, auf denen Iglo steht und Maisdöschen von Bonduelle. Vorne auf ihrer Verkaufstheke liegen winzige Mars-Schokoriegel neben kleinen Milka-Tafeln.

Dass diese Miniatur-Produkte Charlotte für ihr Leben prägen, davon weiß sie nichts. Und ihre Eltern wohl auch nicht. Aber es ist so. “Marken, die ich als Kind kennengelernt habe, denen bleibe ich lange treu”, sagt Hanna Schramm-Klein, Professorin für Marketing an der Universität Siegen.

Deshalb sei der Kaufmannsladen “ein sehr interessanter Bereich für Unternehmen”, weil die Hersteller dort gezielt ihre Produkte platzieren können und sich damit die Marke in einem frühen Stadium der Kindheit ins Gedächtnis gräbt. Denn auch die Unternehmen wissen: “Je häufiger ich einer Marke ausgesetzt bin, desto positiver bin

Wie treffen Kinder Kaufentscheidungen?

Die Unternehmen haben großes Interesse an den kleinen Kunden. Nie war die Kaufkraft der Kinder so groß wie derzeit. Die 6- bis 13-Jährigen bekommen im Schnitt 27,18 Euro Taschengeld pro Monat und zusätzlich 210 Euro an Geldgeschenken zu Weihnachten und Geburtstag, wie die Kids Verbraucheranalyse 2012 des Egmont Ehapa Verlags belegt.

Rechnet man allein Taschengeld und Geldgeschenke zusammen, so stehen dieser Gruppe insgesamt 2,87 Milliarden Euro zur Verfügung. So sind die Kinder für Unternehmen eine wichtige Klientel, aber auch für die Marketing-Professorin aus Siegen interessant. “Wir wollen herausfinden, wie Kinder Kaufentscheidungen treffen”, sagt Schramm-Klein.

Seit knapp zwei Jahren beobachtet und analysiert sie mit ihrem Team das Konsumverhalten von Kindern. Kaum jemand in der Forschung hat sich bisher damit beschäftigt, wie Kinder Kaufentscheidungen treffen. Wer beeinflusst sie? Eltern oder Freunde? Marken oder Medien? Und reagieren Kinder auf Warnhinweise auf der Verpackung?

“Kinder sind der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen”

Die Antworten auf all die Fragen finden Schramm-Klein und ihr Team in der Beobachtung von Schülern. Dazu besuchen sie Grundschulen, in den meisten Fällen untersuchen sie Dritt- und Viertklässler. Bei einem der Versuche haben die Forscher die Schüler zunächst einzeln befragt und ihnen dann gesagt: “Als Dankeschön für eure Mitarbeit könnt ihr euch ein Getränk aussuchen”.

Bei der Getränke-Wahl sollten die kleinen Probanden unbefangen sein und die Forscher taten so, als sei mit der Befragung ihre Forschungsarbeit beendet. Die Schüler konnten dann zwischen Apfelsaftschorle und Limo wählen, mal gab es Markenprodukte, mal keine. Manche Flaschen trugen Warnhinweise, auf denen stand, dieses Getränk enthalte viel Zucker. Mal waren sie unter Beobachtung, mal alleine.

“Die Kinder haben die Warnhinweise zum Zuckergehalt der Getränke durchaus wahrgenommen, aber bei ihrer Entscheidung spielten sie häufig keine Rolle”, berichtet Schramm-Klein. Wenn allerdings ein Erwachsener in der Situation sagte “Die Limo hat viel Zucker, das ist schlecht für deine Zähne”, dann griffen die Kinder eher zur Schorle. Die Entscheidung der Kinder fiel auch dann eher zugunsten der Schorle aus, wenn ein Erwachsener einfach nur in der Nähe stand. “Das zeigt, dass es sinnvoll ist, wenn Eltern und Kinder gemeinsam in den Supermarkt gehen. Es zeigt aber auch, dass Kinder durchaus in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen, die Eltern müssen sie nur lassen.”

Marken dürfen nicht “kindisch” und “uncool” sein

Bei den Markengetränken griffen die Kinder gerne zu, aber nur dann, wenn sie die Marke für “cool” hielten. Bei Markennamen, die sie eher als “kindisch” und “uncool” einstuften, griffen sie lieber zum No-Name-Produkt.

Inwiefern Werbung das Kaufverhalten von Kindern beeinflusst, ist schwer zu beurteilen, denn Werbung begegnet ihnen überall – ob bewusst oder unbewusst. Denn mittlerweile richten sich 20 Prozent der gesamten Werbung ausschließlich an Kinder.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin geht von einer Zahl zwischen 20.000 und 40.000 Werbespots aus, die ein Kind jährlich zu sehen bekommt. Das Problem: Kinder, die jünger als vier Jahre sind, können gar nicht zwischen Programm und Reklame unterscheiden.

Bei einer Befragung von Drei- bis Sechsjährigen nach ihren Lieblingssendungen im Fernsehen, belegte Werbung tatsächlich Platz zwei. Das zeigt, wie unbekümmert Kinder mit Werbung umgehen.

Werbeverbot für Kinderprodukte in Schweden und Norwegen

Aus diesem Grund ist in Schweden und Norwegen Werbung verboten, die sich speziell an Kinder unter 12 Jahren richtet. Das fordern viele Experten auch für Deutschland. Ob die Politik hierzulande ein Werbeverbot für Kinderprodukte durchsetzt oder nicht, ist für Schramm-Klein nicht entscheidend. “Kinder werden sowieso mit Werbung konfrontiert, da halte ich es für sinnvoller, mit Kindern über Werbung zu sprechen.” Sie würde empfehlen, dass in der Schule über Werbung und die dahinterstehende Strategie gesprochen wird. Lehrer sollten mit ihrer Klasse einen Werbespot anschauen und anschließend erklären, wie so ein Film entsteht.

Warum wählen die Hersteller eine bunte Verpackung? Warum gibt es Sammelfiguren im Überraschungsei? Warum sind die Kinder im Werbespot so glücklich nachdem sie den grünen Wackelpudding gegessen haben?

Das sind Fragen, die sich Erwachsene nicht stellen, weil sie wissen, dass Werbung dazu dient, ihnen den Wackelpudding schmackhaft zu machen. Kinder wissen es nicht. “Sie nehmen Werbung häufig ernst”, sagt Schramm-Klein. Sie wissen nicht, dass sich Grafiker, Texter und Marketing-Experten zusammensetzen und überlegen: Wie sieht der grüne Wackelpudding möglichst lecker und lustig aus?

“Quengelware” im Supermarkt

Erst mit etwa zwölf Jahren beginnen Kinder zu lernen, dass nicht alles, was gesagt wird, der Wahrheit entspricht. Sie fangen an zu hinterfragen und zu durchschauen. “Wenn wir Kindern die Strategie hinter einem Werbespot erklären, dann funktioniert es nicht mehr.” Dann wissen sie, dass der Hersteller will, dass sie den Wackelpudding kaufen und dass der grüne Schleim nicht ganz so lecker ist und nicht ganz so glücklich macht, wie es im Werbespot scheint.

Schramm-Klein ist davon überzeugt, dass man nicht nur Schülern Werbespots erklären sollte, sondern auch Kleinkindern. Dazu erzählt sie eine Begebenheit aus dem Supermarkt. Eine ihrer Kolleginnen hat zwei Kinder, die beide noch in den Kindergarten gehen.

An der Kasse haben die Kinder oft nach Süßigkeiten gefragt, wollten einen Schokoriegel oder ein Überraschungsei haben, jedes Mal kam es zum Streit. Entweder schrie eines der Kinder und zog die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich oder die Mutter gab nach; die Kinder bekamen ihre Schokolade und die Mutter ein schlechtes Gefühl.

Also setzte sie sich eines Tages mit den Kindern zusammen und erklärte ihnen die sogenannte “Quengelware”. Warum Süßigkeiten an der Kasse ausliegen, warum sie auf Augenhöhe der Kinder stehen und warum es extra kleine Portionen sind. Beim nächsten Besuch im Supermarkt standen sie wieder an der Kasse. Da zeigte eines der Kinder auf die Schokolade und sagte: “Guck mal, das ist die Quengelware”. Und bat weder um Überraschungsei noch um Kinderriegel.

Über Kaufentscheidungen sprechen

Natürlich weiß Hanna Schramm-Klein, dass Eltern nicht immer Zeit haben, jede Entscheidung im Supermarkt zu diskutieren. “Ich habe selbst zwei Kinder und manchmal muss es beim Einkauf einfach schnell gehen. Aber wenn ein Kind erst seinen Lieblingspudding in den Wagen legt und später noch Gummibärchen haben will, dann kann ich das Kind vor die Wahl stellen. Pudding oder Gummibärchen – beides geht nicht. Ich sollte das Kind selbst entscheiden lassen und später mit ihm darüber sprechen.”

Ihrer Meinung nach sollten Kinder lernen, dass beides Geld koste und Geld nicht unendlich verfügbar sei. Ähnliches gelte für Zucker. “Ich kann meinem Kind erklären, dass Zucker schlecht für die Zähne ist, dass es nicht an einem Tag Pudding und Gummibärchen essen kann, sonst bekommt es Zahnschmerzen.”

Sie rät dazu, mit Kindern über ökonomisches Verhalten zu sprechen. Warum können wir Brot, Milch und Salat kaufen und nicht alle Süßigkeiten, die wir wollen? Eltern sollten ihre Entscheidungen erklären, aber die Kinder auch selbst entscheiden lassen. So können sie kompetente Einkäufer werden.

Quelle: http://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article115244722/Wie-Kinder-zu-kompetenten-Einkaeufern-werden.html

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