Studien belegen: Bei einer Fußball-WM wächst das Risiko für tödliche Herzattacken. Beim Zuschauer am Fernsehgerät können Puls und Blutdruck so stark steigen, als würde er selbst auf dem Platz stehen. Von Andrea Hentschel
Wenn der Spieler sich den Ball zurechtlegt und zum Elfmeterschuss aufs gegnerische Tor ansetzt, ist die Spannung kaum noch zu toppen. Weltweit werden Millionen Fans zur Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien wieder echte Krimis durchleiden.
Für manche kann das schmerzhaft oder sogar tödlich enden. Denn Fußball kann aufs Herz schlagen, wie zahlreiche Studien belegen. Die WM-Spiele lassen aber auch einen höheren Konsum von Alkohol und fettigen Snacks erwarten.
Für die allermeisten Menschen ist die Weltmeisterschaft, die am 12. Juni beginnt, freilich vor allem ein großes Fußballfest mit Public Viewing, Partys und Autokorso. Statistiken zeigen aber auch, dass Fußball-Großereignisse oftmals mit einem Anstieg bei Herzinfarkten, Überfällen, Alkoholexzessen oder Verkehrsunfällen einhergehen.
Bei einem dramatischen Elfmeterschießen zum Beispiel können beim Zuschauer am Fernsehgerät Puls und Blutdruck so stark steigen, als würde er selbst auf dem Platz stehen. Bei bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems kann es nach Angaben der Deutschen Herzstiftung dann schnell zu Herzrhythmusstörungen oder anderen Herzproblemen kommen. In Extremfällen droht ein Herzinfarkt oder plötzlicher Herztod.
Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München untersuchten zur Fußball-WM 2006 in Deutschland anhand von Notarztprotokollen, wie sich emotionaler Stress auswirkt.
Dabei zeigte sich, dass während der sieben Einsätze der deutschen Mannschaft fast dreimal so viele Patienten wegen akuter Herzprobleme in die Klinik mussten als an anderen Tagen. Bei Menschen mit einer Erkrankung der Herzkranzgefäße war das Risiko sogar fast viermal höher.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie in Großbritannien: An dem Tag, an dem die Engländer 1998 gegen den Rivalen Argentinien verloren, stieg die Zahl der Herzinfarktpatienten um 25 Prozent.
Gesunde Menschen nicht gefährdet
Gesunde Menschen sind dem Hamburger Kardiologen Thomas Meinertz zufolge nicht gefährdet. Ein Mensch mit einem gesunden Herzen könne “alleine durch die Aufregung beim Anschauen eines Fußballspiels normalerweise weder einen Herzinfarkt noch einen plötzlichen Herztod erleiden”, betont Meinertz, der auch Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung ist.
Ebenfalls keine Belege sieht Ulrich Hegerl von der Deutschen Stiftung Depressionshilfe dafür, dass Fußball-Großereignisse mehr Menschen in Depressionen oder gar in den Selbstmord treiben würden.
Verliere die eigene Mannschaft, sei es ganz normal, dass Fans mit Frust und Enttäuschung reagierten. In der Masse, etwa beim Public Viewing, könne man aber “gemeinsam trauern”, betont der Leipziger Experte. “Das verbindet.”
Wer indes bei spannenden Spielen unkontrolliert Snacks in sich reinschaufelt und mit reichlich Bier herunterspült, darf sich nach der WM über das eine oder andere zusätzliche Kilo nicht wundern.
Ein halber Liter Bier und hundert Gramm – also knapp eine halbe Tüte – Kartoffelchips schlagen schon mit etwa 750 Kilokalorien zu Buche, meint Maike Schmidt, Ernährungsexpertin von der Techniker Krankenkasse. Um die zu verbrennen, muss man je nach Gewichtsklasse und Geschlecht mehr als eine Stunde joggen.
Erwiesen ist, dass bei Chips oft der innere Stopp-Schalter versagt – ein Fall von Hyperhagie, also dem Drang, mehr zu essen, als nötig wäre, um den Hunger zu stillen. Schmidt rät daher zu gut portionierten, gesünderen Alternativen wie Gemüse und Dipp oder Käse-Weintrauben-Spieße.
Und wie können sich Fans nun vor einer Herzattacke schützen? Patienten könnten vom Arzt prüfen lassen, ob ein zusätzlicher Blutdrucksenker (Betablocker) genommen werden muss.
Notfalls aber heißt es: Weg vom Fernseher und warten, bis sich das Spiel entspannt. Denn jedes weitere Mitleiden und Wüten treibt den Stresspegel nach oben und erhöht das Infarktrisiko.
Quelle: http://www.welt.de/gesundheit/article128498600/In-Extremfaellen-drohen-Herzinfarkt-oder-Herztod.html