Der lange Atem

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Mit Durchhaltevermögen zum Studienabschluss

Auf dem Boden der Wohnung liegt kein Staubkorn, der Lack des Fahrrades glänzt. Selbst die alte CD-Sammlung ist zurück im Wandregal – sortiert von A bis Z. Studierende quält oft das gleiche Problem: Steht eine wichtige Prüfung bevor, sind plötzlich all die anderen Dinge auf der Agenda wichtig – nur die Bücher und Lernskripte nicht. Motivation für das Wesentliche? Fehlanzeige.

Manche Studierende ticken anders. Der nächste Test in zwei Wochen: Sie haben schon gelernt, obwohl die Klausurnote nicht zählt. Der Abgabetermin für die Hausarbeit in zwei Monaten: Sie haben die Recherchen bereits abgeschlossen, obwohl das Thema öde ist. Und die nächsten Semesterferien in einem halben Jahr: Den Praktikumsvertrag hat diese kleine Gruppe an Studierenden längst unterschrieben, obwohl die Eltern den Strandurlaub bezahlen würden. Doch lässt sich eine solche Zielstrebigkeit für das Studium lernen, oder sind Motivation und Durchhaltevermögen, mit denen manch ein Vorzeigestudierender bis zum Abschluss strebt, scheinbar von Geburt an gegeben?

Torwartikone als Vorbild?

Wir treffen auf den einstigen Titan: Torwartikone Oli Kahn. “Ich. Erfolg kommt von innen” und “Du packst es! Wie du schaffst, was du willst” heißen seine zwei Bücher. In die Liste der Grundlagenliteratur der Motivationsforschung haben es diese Werke nicht geschafft. Genau auf die hat sich Markus Deimann, Motivationswissenschaftler von der Fern-Uni Hagen, spezialisiert. Er findet es zwar gut, dass ehemalige Profisportler wie Oli Kahn auf die Bedeutung von Motivation und Wille für erfolgreiches Handeln hinweisen, weil das ein Gegengewicht zum “unsäglichen Wellness-Trend” setze. Allerdings dürfe man sich nicht blenden lassen. “Nicht alles, was bei Kahn und Co. funktioniert, muss auch bei mir funktionieren”, warnt der Forscher.

Auch Slatco Sterzenbach inszeniert sich im Internet, in Büchern und bei Vorträgen als großer Motivator. Im weißen Anzug und mit Halskette steht er auf der Bühne, spornt seine Zuschauer an, wie sie dauerhaft motivierter sein können und wie sie den “perfekten Tag” – so heißt sein Buch – genießen können. Sogar eine App für das Handy gibt’s gratis zum Buch, mit Tipps für jede Uhrzeit. Motivationsforscher Deimann ist auch hier skeptisch: “Die App gaukelt vor, mich zu kennen und zu wissen, was mir helfen kann.” Für sinnvoller hält er Planungs-Apps, die an Ziele und Vorhaben erinnern und diese vor Augen halten.

Doch wie schön ist das Gefühl des Lernflows, bei dem alles scheinbar von alleine geht. Entdecke ein Studierender beispielsweise Zusammenhänge zwischen Vorwissen und neuem Stoff, merke er, wie sein Wissen wächst, beschreibt Deimann diese Situation. Keinesfalls dürfe man diesen Zustand, in dem das Lernen wie von alleine läuft, unterbrechen.

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Energie aus dem Notfall-Akku?

Nur wie kommt ein Studierender in diesen Zustand? Ein Buch, eine App und ich bin motiviert? So einfach geht das Ganze also doch nicht! Und dabei thront die Motivation über all den anderen Eigenschaften, die wir mit beruflichem Erfolg verbinden. Gerade die besonders motivierten Studierenden stiegen später auf der Karriereleiter zügiger nach oben, sagen Motivationsforscher – noch wichtiger als Intelligenz und Talent sei die Eigenschaft.

Auch Markus Deimann bestätigt diese These, bekräftigt jedoch, dass Motivation nur eine Säule für den Erfolg darstellt: “Es ist bekannt, dass Talent und Intelligenz nicht den entscheidenden Einfluss bei Leistungen haben, sondern eher kontinuierliches Üben – und das setzt wiederum Persistenz, also Durchhaltevermögen, voraus.” Motivation sei eine hervorragende Energiequelle, doch es brauche gelegentlich einen Notfall-Akku, erklärt er.

Motiviert könne man zu vielem sein, doch ganz oft folge eben kein Flow der Handlungen. Das passiere häufig dann, wenn sich die Ziele als schwieriger herausstellten, sagt Deimann, oder die Zeit knapp würde. Dann sinke die Motivation und es brauche Durchhaltevermögen und Willen, etwas zu lernen und ein Ziel zu erreichen. Eine Eigenschaft, die die Wissenschaft als Volition bezeichnet. Nur, kann ich das steuern? Die gute Nachricht zuerst: “Motivation ist auf jeden Fall trainierbar”, sagt Deimann, nun die schlechte: “Es ist immer harte Arbeit an sich selbst.”

Deimann hat einen Motivationsselbsttest erstellt, zunächst um die Motivationsproblematik von Studierenden an einer Fern-Uni zu analysieren. Mittlerweile haben schon über 50.000 Menschen den Fragebogen genutzt – er ist frei zugänglich und nicht auf Studierende der Fern-Uni beschränkt.

Ziele außerhalb des Notenspiegels

Lernende wüssten häufig, dass sie keine Lust mehr haben, doch kennen sie weder Gründe noch Gegenstrategien. Genau da versucht der Test zu unterstützen. Der Onlinetest fragt Lernverhalten und Lernstrategien der Studierenden ab – beispielsweise, ob man sich für kleine Erfolge belohnt oder wie sehr man sich ablenken lässt. Daraus strickt er ein Muster, mit dem er Strategien für die Selbstmotivation jedes einzelnen Studierenden vorschlägt: Vergleiche deine Lernzeit mit der von anderen, kann so ein Tipp lauten.

Sich Ziele setzen, ist ein anderer Tipp – doch damit aus den bloßen Absichten auch ein Sog entsteht, seien vor allem die in der Wissenschaft als “smart” bezeichneten Ziele besonders wichtig, sagt Deimann. Spezifisch, messbar, akzeptiert, relevant und terminiert sollten sie sein. Will ein Studierender “Karriere machen”, sei dies viel zu unspezifisch, heißt es in einem der Tipps – Motivation könne man so nicht dauerhaft aufrecht erhalten. Ohne genaue Angaben von Teilzielen und einem zeitlichen Rahmen sei das Ziel nämlich wenig hilfreich.

Wer seine Motivation und seine Emotion besser im Griff hat, für den ist die Gefahr gering, in ein Loch zu fallen. Doch alleine durch den Test wird man nicht zum Superstudenten. Und nicht immer muss dies ein Plan sein: “Zügiges Studieren ist nicht immer ein Ziel”, sagt selbst Deimann. Manchmal lägen gerade in Themen, die nicht direkt zum Fachgebiet gehören, große Motivationsquellen und man sollte sich auch Ziele setzen, die womöglich nicht den Notenspiegel verbessern, einen aber dafür persönlich weiterbringen.

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Philipp Weber (24) ist Student an der Hamburg Media School. Nach dem Abitur schnupperte er beim Radio rein und leitete anschließend ein Studentenfernsehen. Es folgten Praktika u.a. in den Redaktionen der taz, des ZDF-Kinderfernsehens und von Spiegel-Online.

Quelle: http://www.fluter.de/de/112/thema/10471/

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