Psychologie Kann man Glück lernen?

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Egal, wie alt sie sind – Menschen haben es auch selbst in der Hand, wie glücklich sie werden.

Das Glück aus aller Welt läuft bei Ruut Veenhoven in Rotterdam auf. Es kommt per Post, landet im E-Mail-Fach, wird heruntergeladen aus dem Internet. Es stapelt sich zu Papierhaufen, reiht sich in Aktenordnern. 14 Mitarbeiter begutachten es: Ist das wirklich Glück? Nach wissenschaftlichen Kriterien? Genügen die Einsendungen diesem Anspruch, werden sie eingetippt in die World Database of Happiness, die der Soziologe Veenhoven seit 1980 füllt. 13886 Erkenntnisse zum Glück lagern aktuell auf den Servern der Erasmus-Universität, zweimal so viele warten darauf, eingegeben zu werden. Jeden Tag landen im Schnitt 1,5 neue Studien über das Glück in Rotterdam.

Die Glücksforschung boomt. Psychologie, Neurologie und Genetik, Soziologie und Ökonomie: Kaum eine akademische Disziplin, in der nicht jemand versuchte, die uralte Frage zu beantworten, was Menschen glücklich macht – und ob sie selbst etwas dafür tun können. Schließlich kennt jeder solche Menschen, die mit Leichtigkeit durchs Leben gehen, selbst schwere Schicksalsschläge wegstecken; und andere, die sich schwertun, obwohl das Leben es gut mit ihnen zu meinen scheint. Ist Glück also vorbestimmt, festgeschrieben von Genen und Erfahrungen aus Kindertagen? Oder kann man Glück lernen? Dahinter steht die weit umfassendere Frage: Kann der Mensch sich ändern?

Das interessiert natürlich jeden, jedenfalls fast. Wenigstens finden Glücksratgeber reißenden Absatz, und zwar seit Jahren schon. Privatsache ist die Suche nach dem Glück aber längst nicht mehr. Schon länger weiß man, dass reiche Gesellschaften nicht glücklicher werden, wenn sie immer reicher werden. Deshalb (und weil es mit dem Wirtschaftswachstum zunehmend Schwierigkeiten gibt) suchen Politiker nach einem Ersatz oder zumindest einer Ergänzung für das Bruttoinlandsprodukt, das bisher als Maß allen Wohlstands galt. Eine Glücksformel soll her. Denn wer mehr Glück produzieren will, so die Idee, muss dieses Mehr ja auch messen können. Der französische Präsident ließ die beiden Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Amartya Sen rechnen. Der britische Premier beauftragte seine Chefstatistikerin. Und seit Anfang des Jahres tagt in Deutschland eine Enquetekommission des Bundestages zu »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität«. Auch sie soll einen neuen Glücksindex finden.

· Spuren im Gehirn

In der Biochemie des Gehirns lassen sich drei Arten von Glück unterscheiden, jede befördert von bestimmten Botenstoffen:

# Das Glück des Wollens: Wenn wir nach etwas streben, stellt Dopamin die Belohnung in Aussicht, Endorphine lösen dabei Euphorie aus.

# Das Glück des Vermeidens: Wenn wir Bedrohungen entgehen oder sie überstehen, führt das Sinken der Kortisol- und Adrenalinspiegel zu Entspannung.

# Das Glück des Seins: Wenn wir haben, was wir brauchen, sorgt körpereigenes Morphium für Zufriedenheit, Serotonin für Beruhigung und Oxytocin für ein Gefühl der Verbundenheit mit anderen.

Unser Gehirn verändert sich das ganze Leben lang, auch noch im Alter. Seine Fähigkeit zum ständigen Umbau nennen die Neurowissenschaftler Plastizität. Genau wie alle anderen Erfahrungen hinterlassen auch Gefühle wie Glück, Traurigkeit oder Angst ihre Spuren im Gehirn: Die Kontaktstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen, die Synapsen, verstärken sich, ganz neue Nervenbahnen werden gebildet und bereits bestehende stärker mit Myelin umhüllt, woraufhin sie Signale schneller weiterleiten können – genau das ist es, was wir als Lernen bezeichnen.

»Der wichtigste Faktor, den die Politik kurzfristig beeinflussen kann, ist die Arbeitslosigkeit«, sagt Gert Wagner, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Mitglied der Kommission. »Langfristig sind die Chancen für gute Bildung und Gesundheit wichtig.« Durchaus möglich also, dass die neue nationale Glückszahl eine altbekannte sein wird: die Arbeitslosenquote.

Nach einem Maß suchen auch Soziologen und Psychologen – für das individuelle Glück. Aber wie soll man das messen? Zunächst einmal: Glücksforscher sprechen nicht gern vom Glück. Lieber von »Lebenszufriedenheit« oder »subjektivem Wohlbefinden«. Damit wollen die Empiriker das große Gefühl in seine Facetten aufspalten, denn »Glück« ist ein schillernder Begriff. Tatsächlich entscheidet im Deutschen erst ein Verb, ob einer bloß Glück hat oder ob er glücklich ist. Und auch das »Glücklichsein« ist den Wissenschaftlern noch viel zu undifferenziert. Geht es um Glücksmomente (ausgelöst von Schokolade, Sport, Sex) oder um das »Glück der Fülle«, wie es der Philosoph Wilhelm Schmid genannt hat, Aristoteles’ eudaimonia, das gelungene, besser: erfüllte Leben?

Quelle: http://www.zeit.de/2012/01/Glueck-lernen

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