Wer erfolgreich eine Fremdsprache lernen will, sollte an seinen Alltag und vorhandenes Wissen anknüpfen, so viel reden wie möglich, seinen Lerntyp kennen, alle Sinne nutzen und: ständig wiederholen. Von Fanny Jimenez
“Med vänliga hälsningar, freundliche Grüße, best wishes, sincères salutations” steht unter der E-Mail von Britta Hufeisen. Sie leitet das Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt sowie das Sprachenzentrum der Hochschule und spricht – selbstverständlich – gleich mehrere Sprachen fließend.
Die Autorin mehrerer Bücher erforscht Mehrsprachigkeit und multiples Sprachenlernen und ist eine gefragte Expertin, wann immer es um diese Themen geht. Sie sitzt im wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentralstelle für Auslandsschulwesen und im European Centre for Modern Languages – einer Einrichtung des Europarates.
Und sie räumt gern mit Vorurteilen auf. “Meiner Ansicht nach gibt es keine Begabung für das Sprachenlernen”, sagt sie. “Das hören viele nicht gern, aber es ist so.”
Es gebe lediglich eine Sprachlernneigung, die das Lernen über die Motivation beeinflusst. Und eben diese sei für das Erlernen einer Sprache absolut zentral. “Sprachen lernen steht und fällt mit der Motivation.”
In der Schule leidet oft die Motivation
Bei Babys, die ihre Muttersprache lernen, braucht es dafür keine besonderen Anreize. Sie sind von Geburt an daran interessiert, zu kommunizieren. “Unsere Gehirne sind für mehrere Sprachen eingerichtet”, sagt Hufeisen.
Für Kinder seien auch drei Sprachen keine Überforderung, egal, ob sie gleichzeitig oder nacheinander gelernt werden. Sitzen dann ältere Kinder aber in der Schule und sollen “He she it, das s muss mit” im Englischunterricht vorbeten, bleibt die Motivation oft schnell auf der Strecke.
Das liegt vor allem daran, dass sich diese Art des Sprachenlernens von der natürlichen unterscheidet. Denn Lernen ist ein sehr individueller Prozess.
Der Sprachforscher Klaus-Börge Boeckmann von der Universität in Wien etwa betont in einer Publikation, wie wichtig es ist, das Lernen selbst initiieren und weitgehend selbst steuern zu können.
Ins Langzeitgedächtnis kommt nur Wichtiges
Kompetenzen entwickeln sich bei Menschen schlicht unterschiedlich schnell und in unterschiedlichen Bereichen. Dazu kommt, dass das Gedächtnis eines jeden dieselben Inhalte auf verschiedene Art und Wiese speichern kann.
Ob Vokabeln und Grammatikregeln vom kurzlebigen Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übergehen, hängt zum einen von der Motivation ab – denn das Gehirn macht nur Platz für das, was als bedeutsam und wichtig erachtet wird.
Routine und Gewöhnung sei dafür tödlich, so Boeckmann, und eine Anbindung der Lerninhalte an die persönliche Lebenswelt des Schülers unerlässlich. Zum anderen ist für die Erinnerung wichtig, dass Inhalte an möglichst vielen unterschiedlichen Orten im Gehirn verankert werden.
Im Idealfall sollte Unterricht also an schon Bekanntes anknüpfen, sodass neues Wissen in bestehende Netzwerke eingebunden werden kann. Außerdem wird Boeckmann zufolge sogenanntes prozedurales Wissen im Gehirn besonders robust gespeichert.
Viele Sinne ansprechen hilft
Das sind Handlungsabläufe, die als Einheit wahrgenommen werden; also etwa, wie man sich üblicherweise im Restaurant verhält. Diese Abläufe haben oft mit Menschen und Kommunikation zu tun – deshalb merkt man sie sich in diesen Zusammenhängen auch deutlich besser.
Und nicht zuletzt ist es wichtig, möglichst viele Sinne anzusprechen. Auch das verbessert das Gedächtnis, weil es dem Gehirn ermöglicht, Wissen an verschiedenen Orten wiederzufinden.
Wenn man etwa Jahre nach der letzten Schulstunde das längst vergessen geglaubte Spanisch wiederbeleben möchte, stellt man oft fest, dass es so eingerostet noch gar nicht ist.
“Vergessen ist streng genommen meist kein Vergessen, denn oft kann verschüttetes Wissen wieder zugänglich gemacht werden”, sagt Hufeisen – Voraussetzung ist aber, dass das Wissen effektiv gespeichert wurde.
Sprachreisen motivieren auch Jugendliche
Alle diese Faktoren im Schulalltag zu erfüllen ist nicht einfach – besonders, wenn aus den gelangweilten Kindern irgendwann völlig desinteressierte Jugendliche werden, die alles Mögliche im Kopf haben, aber bei dem Wort Französischunterricht nur die Augen verdrehen.
Britta Hufeisen hat aber gleich mehrere Ideen parat, die da helfen können. Sprachreisen sind eine davon, denn da müsse man auf die Motivation meist nicht lange warten. “Wenn man beim Schüleraustausch in Frankreich plötzlich den schönsten Jungen der Welt trifft, was meinen Sie, wie schnell man dann Französisch lernt”, sagt sie.
Hilfreich sei es auch, den eigenen Lerntyp zu kennen. Die meisten Menschen seien ein Mischtyp aus den vier Möglichkeiten auditiv, visuell, motorisch oder kognitiv orientiert. “Wir mussten damals im Französischunterricht Dialoge auswendig lernen”, sagt Hufeisen.
“Das bedient den auditiven Lerntyp und erreichte mein Langzeitgedächtnis zum Beispiel überhaupt nicht. Ich musste Dinge eher aufschreiben und in meinem Zimmer herummarschieren, um Vokabeln zu lernen.”
Wer seinen Lerntyp kennt spart Zeit und Nerven
Je nach Typ kann man sich beim Lernen auf unterschiedliche Dinge konzentrieren, die der eigenen Ausrichtung entgegenkommen. Grammatikregeln zu lernen mache etwa für den kognitiv orientierten Typ Sinn, nicht aber für den motorischen.
Das zu wissen kann Zeit und Nerven sparen. Britta Hufeisen findet, dass in der Schule oft zu viel Augenmerk darauf verwendet wird, die Sprache in ihrer ganzen Struktur zu verstehen, indem man Grammatik paukt, statt sich der Sprache eher ganzheitlich zu nähern.
“Diese kognitive Herangehensweise wird bei uns großgeschrieben”, sagt sie. Das hieße aber nicht, dass alle Lerntypen davon gleichermaßen profitieren. “In afrikanischen Ländern sprechen Kinder manchmal bis zu sieben verschiedene Sprachen, ohne Probleme”, so die Expertin.
“Oft ist der Lehrer vorn der Einzige, der ein Lehrbuch hat. Dann wird Grammatik anders gelehrt und gelernt: Die neue Sprache wird getanzt, gesungen, geklatscht – und das funktioniert ganz wunderbar.”
Immersion funktioniert nicht immer
Allerdings, so die Sprachwissenschaftlerin, nimmt das Verstehen der Regeln bei Erwachsenen später einen größeren Stellwert ein. Ein gutes Beispiel sei die Immersion – also das Lernen einer Fremdsprache durch “Eintauchen” in den Alltag ohne expliziten Unterricht.
Das funktioniere bei Kindern gut, bei Jugendlichen und Erwachsenen aber sei es schwieriger. “Auch die Gastarbeiter, die in den 60er-Jahren nach Deutschland kamen, haben Deutsch in totaler Immersion gelernt – zielführend war das aber nicht bei allen.”
Wer als Erwachsener eine Fremdsprache ganz neu erlernen will oder alte Kenntnisse auffrischen möchte, hat inzwischen die Qual der Wahl. Vor allem im Internet gibt es für jeden ein passendes Angebot.
Kostenlose Vokabeltrainer und Wörterbüchern gibt es dort ebenso wie Leo oder Linguee über Dienste wie Babbel, die für sechs Euro im Monat ein interaktives Programm anbieten, bei dem der Lernende Grammatik, Lese- und Hörverständnis sowie die Aussprache von zehn Sprachen trainieren kann.
Moderne Sprachkurse auf dem Stand der Forschung
Traditionelle Anbieter von Sprachlernkursen ziehen nach. Kurse von Anbietern wie Rosetta Stone oder der Langenscheidt IQ berücksichtigen mittlerweile alle Ergebnisse der Lernforschung. “Jeder hat andere Lernerfahrungen gemacht und auch andere Ziele beim Lernen”, sagt Kerstin Piejko, Projektleiterin von Langenscheidt IQ.
“Deshalb ist es wichtig, den Lerninhalt individualisieren zu können.” Moderne Sprachkurse motivieren durch verschiedene Themenwelten, Feedbackpunkte oder die Möglichkeit der Zertifizierung am Ende. Zunehmend gibt es dabei auch keinen Medienbruch mehr – oft werden Apps angeboten oder ein Online-Account, auf den von überall Zugriff besteht.
Für die Schulen ist eine solche Individualisierung nicht möglich, aber auch dort werden neue Ansätze entwickelt. Britta Hufeisen experimentiert im Projekt EuroCom zum Beispiel damit, Schülern mehrere Sprachen gleichzeitig beizubringen.
Dabei gibt es eine Brückensprache, die den Zugang zu einer ganzen Sprachfamilie erleichtert: etwa Französisch als Brücke für die Sprachen Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Katalanisch. Das klappt gut, sagt sie.
Letztlich sei aber jede Form des Lernens immer mit mentalen Anstrengungen verbunden, so die Expertin. “Ein Zaubermittel gibt es nicht. Vokabeln muss man lernen wie den Dreisatz.”
Quelle: http://www.welt.de