Bewerbungsgespräche “Die Körpersprache wird unterschätzt“

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Mit Bescheidenheit kommt man in Bewerbungsgesprächen nicht weiter. Doch Eigenlob will gelernt sein, sagt die Personalberaterin Andrea Raupach-Siecke. Besonders Frauen fällt das schwer.

Frau Raupach-Siecke, woran scheitern Bewerber im Vorstellungsgespräch?

Häufig sind sie sich ihrer Stärken nicht bewusst. Ich meine das nicht bezogen auf pauschale Schlagworte, also einfach zu behaupten, man sei „gründlich“ oder „organisationsstark“. Sie sollten ganz konkret zeigen, dass Sie der Richtige für die gesuchte Aufgabe sind.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ich bringe gern in meinen Workshops das Beispiel der Sekretärin. Die Bezeichnung sagt wenig aus. Das kann in einem Unternehmen diejenige sein, die am Kopierer steht, Kaffee kocht und für schöne Meetings sorgt. Im anderen Extremfall ist es die rechte Hand des Chefs, die ihn kompetent vertritt und Konferenzen komplett vorbereitet. Es geht darum, konkret darzustellen, was man alles kann und in der Praxis bereits gemacht hat.

So viel haben Berufsanfänger da aber nicht auf der Agenda.

Das stimmt, aber mittlerweile können fast alle über Praktika berichten oder haben neben dem Studium gearbeitet. Idealerweise haben sie eine Bachelorarbeit mit Praxisbezug vorzuweisen. Wer „lediglich“ einen Bachelor hat, sollte in jedem Fall seine Arbeit genau kennen. Und wer dann doch schon mal gearbeitet hat – und wenn es nur zur Aushilfe oder nur ein paar Wochen bei dem Unternehmen war -, sollte dies auch ruhig nennen. Denn dieses „nur“ ist genau der Vorsprung gegenüber demjenigen, der so etwas noch nie gemacht hat.

Fällt es Frauen schwerer, über ihr Können zu sprechen?

Ganz klar ja. Da ist ein Gefälle zwischen Männern und Frauen zu beobachten. Frauen fällt es deutlich schwerer, zu ihren Stärken zu stehen. Sie möchten sich nicht anbiedern und sind der Ansicht: „Das müssen die doch sehen, was ich alles kann.“ Dann sage ich diesen Frauen in der Beratung: „Sorry, das sieht Ihr zukünftiger Chef doch nicht im ersten Gespräch.“ Dabei ist es entscheidend für den Bewerbungserfolg, das Bewusstsein eigener Stärken selbstbewusst nach außen zu tragen, sonst kommt es nicht zu einem zweiten Gespräch.

Wie erkennen allzu bescheidene Naturen, was sie zu bieten haben?

Indem sie sich klarmachen, was sie so alles leisten und geleistet haben. Ich denke da an eine Rechtsanwaltsgehilfin, die von sich behauptete, in der 15 Jahre langen Familienphase nichts gemacht zu haben. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie im Elternbeirat der Grundschule gearbeitet und sechs Jahre zehn Stunden in der Woche ehrenamtlich das Sekretariat einer Pfarrei geschmissen hat. Sie hat eine ganze Liste an Fähigkeiten zusammengekriegt.

Und wie überwinden gerade Frauen ihre Scheu, angeberisch zu wirken?

Sie sollten sich auf die Fakten konzentrieren und Beispiele nennen: berichten, dass sie die komplette Organisation einer Messe von der Terminbuchung bis zur Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur übernommen haben. Dann wird deutlich, dass sie gut im Organisieren sind. Das ist nicht angeberisch, das ist fundiert.

Warum patzen so viele, wenn sie die klassische Warum-gerade-unser-Unternehmen-Frage hören?

Das ist die fehlende Vorbereitung. So wie eine Hotelfachfrau, die kaum etwas über das große Haus wusste, wo sie sich beworben hatte. Ich sage ihr dann: „Stellen Sie sich vor, Sie geben eine Partnerschaftsanzeige auf, treffen denjenigen und lassen erkennen, dass Sie sich kaum etwas aus seiner Mail gemerkt haben.“ Selbstverständlich will ein Personaler wissen, wie weit sich der Bewerber mit dem Unternehmen beschäftigt hat. Nur flüchtig zu googeln, das geht nicht. Man sollte sich in Fachzeitschriften und Archiven der Zeitungen informieren. Findet man dort zum Beispiel über ein junges Start-up-Unternehmen wenig, geht man auf die Homepage oder lässt sich eine Broschüre zuschicken, die man dann im Gespräch auch ruhig zeigen kann: „Ich habe mir das besorgt, das interessiert mich ganz besonders.“

Wie gehe ich souverän mit Provokationen um?

Auf keinen Fall ins Bockshorn jagen lassen. Da wird getestet, ob Sie Nerven haben. Also unbedingt sachlich argumentieren. Bei unzulässigen Fragen etwa nach der Familienplanung dürfen Sie auch lügen. Sagt jemand provokant: „Wir werden uns wahrscheinlich für Ihren Mitbewerber entscheiden“, dann bedanken Sie sich für das Gespräch, kündigen Ihre erneute Bewerbung an, wenn eine vergleichbare Position ausgeschrieben wird, und bedauern, dass es nicht zu einer Win-Win-Situation gekommen ist.

In Ihrem Buch „Das perfekte Vorstellungsgespräch“ warnen Sie davor, Signale der Körpersprache zu unterschätzen. Was kann da schieflaufen?

Das schwierige Thema Körpersprache wird gerne unterschätzt. Da läuft die Kommunikation schief, die Mimik des anderen wird falsch gedeutet. Man sollte darauf achten, wie das Gegenüber auf einen reagiert. Kneift er auf einmal die Augen zu, ist Skepsis angesagt. Der andere blickt aus dem Fenster oder noch schlimmer, er starrt auf seine Uhr. Dann sollte der Bewerber seinen Monolog unterbrechen, das rhetorische Mittel der Frage einsetzen: „Wollen Sie dazu noch etwas Genaueres wissen?“ Dann hat man die Aufmerksamkeit wieder. Gegenfragen stellen ist ein wichtiger Aspekt, den viele vergessen. Erst das macht das Ganze zu einem richtigen Gespräch und nicht zu einer Frage-Antwort-Runde.

Aber wer hat denn schon in der Ausnahmesituation Gegenfragen parat?

Die sollte sich jeder Bewerber vorher in Ruhe überlegen. Nach wie vor lautet die Schlussfrage häufig: „Haben Sie Fragen an uns?“ Ein „Nein“ kommt nicht gut. Eine Möglichkeit ist, nach einer Reisetätigkeit zu fragen, oder danach, wo genau der Arbeitsplatz liegt. Am besten ist es jedoch, das zwischendurch zu fragen, wenn sich das im Kontext ergibt.

Welche Patzer erlauben sich Bewerber bei der Körpersprache?

Oberstes Gebot ist der Augenkontakt. Das fällt leicht, solange der andere redet, aber deutlich schwerer, wenn man selbst spricht. Wenn ein Bewerber in der Lage ist, Augenkontakt auch dann zu halten, wenn er selbst berichtet, dann zeugt das von Selbstbewusstsein. Natürlich soll das nicht in Starren ausarten. Und selbstverständlich wirkt es nicht souverän, wenn jemand verkrampft dasitzt und sich möglicherweise an Armlehnen festhält. Oder er spricht frei, sitzt aber stocksteif da. Das ist verräterisch. Die meisten Personaler sind darauf gepolt, das zu erkennen.

Wie kläre ich die Gehaltsfrage?

Wer sagt: „Da verlasse ich mich ganz auf Sie“, der ist verlassen. Schließlich verkaufen Sie sich selbst, auch wenn das hart klingt. Beim Einkauf sagen Sie ja auch nicht: „Den Preis überlasse ich Ihnen.“ Deshalb sollten Sie auf keinen Fall aus dem Bauch heraus eine Zahl nennen. Sie müssen vorab recherchieren, was realistisch ist, dabei Komponenten wie Branche, Unternehmensgröße und Standort berücksichtigen. Gut ist es, eine Bandbreite anzugeben, sich flexibel zu zeigen. Ein eher niedriges Grundgehalt kann durch Zusatzleistungen attraktiver werden.

Ein großer Versandhändler führt inzwischen Bewerbergespräche via Skype. Was ist da zu beachten?

Auf Ruhe achten, möglicherweise wohnt der Bewerber in einer Wohngemeinschaft, und auf einen dezenten, aufgeräumten Hintergrund. Zumindest obenherum sollte man Hemd oder Bluse anziehen. Übrigens spielt bei der Kleidungsfrage der Wohlfühlfaktor eine wichtige Rolle. Wer grundsätzlich Anzüge ablehnt, ist möglicherweise in einer dunklen Jeans angemessen angezogen, das hängt natürlich von der Position ab.

Was sollen Bewerber bei der Nutzung sozialer Netzwerke beachten?

Sie sollten sich klarmachen, dass Personaler zwar offiziell Informationen, die sie dort finden, nicht nutzen dürfen. Aber inoffziell gewinnen sie einen Eindruck. Also Vorsicht, was man dort einstellt: Der Bumerang kann zurückkommen. Gerade Karrierenetzwerke sollte man auf widersprüchliche Angaben überprüfen.

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Quelle: http://www.faz.net

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